Jahrespressemitteilung 2024

Kfz-Gewerbe Hessen mit guten Ergebnissen

v.l.n.r.: Joachim Kuhn (Geschäftsführer), Michael Kraft (Präsident), Thorsten Krämer (Vizepräsident), Roger Seidl (Pressesprecher)

Umsatz im Automarkt in Hessen auf 29,3 Milliarden Euro gestiegen - Rund 813.000 Autokäufe - Neuwagen kostet 44.850 Euro, Gebrauchtwagen 18.880 Euro - Markenhandel kann weitere Potentiale im Gebrauchtwagen-Geschäft freilegen - Service wieder mit Steigerungen - Erfreuliches Nutzfahrzeug-Geschäft - Auto-Berufe weiter attraktiv - Starke Jahresbilanz - Perspektiven mit verhaltener Zuversicht - Sorgen um konjunkturelle Entwicklung - Mahnung zu verlässlichem Verwaltungshandeln - Das hessische Kfz-Gewerbe verurteilt politischen Extremismus, Rassismus und jegliche Diskriminierung.

Wiesbaden, 22. Februar 2024. Das hessische Kraftfahrzeuggewerbe steht vor einer wichtigen Frage: Wird 2024 ein Jahr wachsender Herausforderungen oder ein Jahr des Übergangs in stabilere Zeiten? Antworten auf diese Frage erhofft sich das Kraftfahrzeuggewerbe in Hessen in den nächsten Monaten. „Wir gehen verhalten optimistisch in die Zukunft“, sagte Michael Kraft, Präsident des Kfz-Landesverbandes, bei der Vorlage der Jahresbilanz. Nach dem Autojahr 2023 mit unerwartet hohem Geschäftsvolumen sei zunehmende Wettbewerbsintensität festzustellen. Dazu tragen – bisher auf niedrigem Stückzahlniveau – auch neue Anbieter, insbesondere aus China, bei. Die Kennzahlen des Marktes 2023 seien auch mit Sondereffekten behaftet. Der hessische Automarkt weise mit dem Verkauf neuer und gebrauchter Pkw und Lkw sowie dem Service einen Gesamtumsatz von 29,3 (Vorjahr: 24,7) Milliarden Euro aus. Das sei eine Steigerung um 18,4 Prozent.

Neue oder wesentlich weiter entwickelte Produkttechnik und -eigenschaften, andere Vertriebsmodelle als in der Vergangenheit, der Umgang mit Daten aus Fahrzeugen sowie Debatten über Mobilitätskonzepte sollten zukunftweisende Antworten und Lösungen finden, die sich nicht zum Nachteil des überwiegend mittelständisch geprägten Kraftfahrzeuggewerbes auswirken. Die politischen Weichen sollten zukunftsweisend und zeitnah gestellt werden, sagte Kraft und ergänzte: „Wir brauchen Verlässlichkeit.“.

Das Autojahr 2023 habe mit gestiegenen Neuwagen-Preisen und dem Abbau von Lieferverzug dem Kfz-Gewerbe höhere Umsätze und Erträge beschert, sagte Kraft. Erfreulich sei eine stabile Umsatzrendite vor Steuern von 3 Prozent. Der Gesamtumsatz in Höhe von 29,3 Milliarden Euro gliedere sich in 15,2 (Vorjahr: 12,1) Milliarden Euro für den Neuwagenmarkt und 8,8 (Vorjahr: 8,3) Milliarden Euro für das Geschäft mit gebrauchten Pkw. Mit neuen Lkw sei ein Umsatz von 2,1 (Vorjahr: 1,6) Milliarden Euro erreicht worden, mit gebrauchten Lkw 836,6 (Vorjahr: 780,3) Millionen Euro. Der Serviceumsatz liege jetzt bei 2,4 (Vorjahr: 2,0) Milliarden Euro.

Der hessische Pkw-Markt 2023 mit überdurchschnittlich hohen Neuzulassungen teile sich in 54,3 Prozent für Verbrenner und 45,7 Prozent für alternative Antriebe, davon 17,6 (Vorjahr: 17,1) Prozent vollelektrische Pkw. Dies seien 123.975 (Vorjahr: 96.591) Benziner, 59.783 (Vorjahr: 50.877) Diesel und 154.827 (Vorjahr: 132.035) „Alternative“, davon 59.615 (Vorjahr: 47.846) vollelektrische Neuwagen (BEV) und 23.249 (Vorjahr: 40.283) Plug-in-Hybride. Das überdurchschnittliche Plus im Neuwagenmarkt resultiere aus Sondereffekten durch Eigenzulassungen der Hersteller und Importeure. Hessen habe im vergangenen Autojahr die höchsten Steigerungen aller Flächenländer bei den Pkw-Neuzulassungen zu verzeichnen. Das durchschnittliche Plus liege bundesweit bei 7,3 Prozent, Hessen habe 21 Prozent erreicht.

Nachdem die Bundesregierung den staatlichen Zuschuss für Elektromobile zum Jahresende 2023 abrupt gestrichen habe, sei der Absatz solcher Fahrzeuge überproportional zurückgegangen, obgleich Hersteller und Importeure schnell mit der freiwilligen Übernahme der Umweltboni reagiert hätten. Kunden seien damit zwar schadenfrei gestellt worden, die Verunsicherung bleibe, sagte Kraft mit Hinweis auf die letzte Statistik der staatlichen Förderung. Politik und Verwaltung müssten für die Bürger zuverlässig und berechenbar sein.

Seien im Jahr 2022 rund 48.000 elektrisch angetriebene Fahrzeuge erstmals zugelassen worden, waren es 12 Monate später rund 60.000 Zulassungen. Kraft wies darauf hin, dass erst im Autojahr 2025 nach Experten-Meinungen höhere Anzahlen kostengünstiger Modelle und damit eine stärkere Attraktivität der Elektromobilität zu erwarten sei. Ob sich der Markt 2024 nachhaltig beleben werde, sei bei den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fraglich.

Hessen könne besser werden, wenn es um die Häufigkeit öffentlich zugänglicher Ladepunkte gehe. Während der bundesweite Durchschnitt pro Ladepunkt bei rund 20 E-PKW liege, melde Hessen 27,7 Pkw pro Ladepunkt. Nach Daten der Bundesnetzagentur gebe es in Hessen 7.987 (Vorjahr: 5.626) öffentlich zugängliche Ladepunkte, davon 1.442 (Vorjahr: 796) Schnellladepunkte. Diese teilen sich 221.378 E-Pkw im Bestand. Mit dem Preis und der Reichweite, die zwischenzeitlich auf durchschnittlich 393 Kilometer gestiegen sei, sowie der trotz großer Steigerungen um 42 Prozent unverändert lückenhaften Ladeinfrastruktur blieben aus Kundensicht die drei größten Hindernisse für den Umstieg. Breite Bevölkerungskreise seien nicht in der finanziellen Lage, vom Verbrenner auf einen Stromer umzusteigen.

Hessen ist das Bundesland, in dem im vergangenen Jahr, gemessen an der Bevölkerung, die meisten Elektroautos neu zugelassen wurden, sagte Kraft mit dem Hinweis auf 5,6 neue BEV pro 1.000 Einwohner im bundesweiten Durchschnitt. Hessen habe 7,2 BEV pro 1.000 Einwohner. In absoluten Zahlen indes sei das Nachbarland NRW der Spitzenreiter.

Der gestiegene durchschnittliche Preis von 44.850 (Vorjahr: 43.110) Euro für einen neuen Pkw resultiere nicht nur aus dem gestiegenen Anteil der E-Fahrzeuge, sondern auch aus Verschiebungen in den Marktsegmenten und höheren Preisen nicht nur für Fahrzeuge, sondern auch für Sonderausstattungen. Die durchschnittliche Kreditsumme beim privaten Neuwagenkauf sei laut DAT-Report um 400 Euro auf 14.900 Euro gestiegen. Der Erlös aus dem Vorwagenkauf habe 11.400 (Vorjahr: 10.700) Euro betragen.

Privatmarkt rückläufig

Der hessische Gebrauchtwagenmarkt habe lediglich im Februar 2023 leichte Einbußen (0,9 Prozent) erlebt, berichtete Kraft. Alle anderen elf Monate hätten über dem Niveau von 2022 gelegen. Gewinner sei der Fachhandel, Verlierer der Privatmarkt. Von den 474.033 (Vorjahr: 439.471) Besitzumschreibungen seien 336.384 Verkäufe im Fachhandel erfolgt (71 Prozent) und 137.649 im Privatmarkt. Letzterer habe 13,0 Prozent eingebüßt und halte noch 29 (Vorjahr: 36) Prozent Marktanteil.

Bei den Besitzumschreibungen habe der Markenhandel trotz eines weiteren schmerzhaften Verlustes von einem Prozentpunkt im Marktanteil (37 Prozent) um 5,1 Prozent auf 175.393 (Vorjahr: 166.957) Umschreibungen zugelegt. Der reine Gebrauchtwagenhandel habe 160.991 (Vorjahr: 114.344) Halterwechsel bilanziert und im Marktanteil acht Prozentpunkte auf 34 Prozent gewonnen.

Gebrauchte Pkw: sinkende Preise

Im Gebrauchtwagenmarkt habe sich 2023 die Preisspirale nach unten gedreht. Der neue durchschnittliche Preis für einen gebrauchten Pkw in Höhe von 18.880 (Vorjahr: 19.130) Euro sei das Ergebnis eines steigenden Angebotes. Im Privatmarkt habe es einen Preisrutsch um fast zehn Prozent auf 12.550 (Vorjahr: 13.990) Euro, im Markenhandel sei der durchschnittliche Preis um zehn Prozent auf 26.170 (Vorjahr: 23.640) Euro gestiegen und der freie Markt habe 15.680 (Vorjahr: 18.370) Euro gemeldet. Dies sei ein Preisrückgang um 14,6 Prozent. Gebrauchte E-Pkw spielen am Markt bisher keine große Rolle, sagte Kraft.

Pluszahlen für Nutzfahrzeuge

Positiv stünden die Kennzahlen des Nutzfahrzeugmarktes in der Bilanz. Die Umsätze mit neuen und gebrauchten Nutzfahrzeugen in Hessen seien um 20,7 Prozent auf 2,9 (Vorjahr: (2,4) Milliarden Euro gestiegen. 57.376 (Vorjahr: 46.340) Fahrzeuge seien ein Plus von 23,8 Prozent, wobei im Besonderen die Transporter mit plus 24,2 Prozent zugelegt hätten. Die „schweren Lkw“ hätten 5.250 (Vorjahr: 4.384) Neuzulassungen erreicht, eine Zunahme um 19,8 Prozent. Der Anteil emissionsfreier Lkw an der Nutzfahrzeugflotte betrage 1,4 Prozent für Lastwagen, 0,04 Prozent bei Zugmaschinen und 4,6 Prozent bei Bussen, teilte Kraft mit Blick auf die aktuellen Debatten über die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs mit.

Auch wenn sich aktuell die E-Lkw „in homöopathischen Dosierungen“ befänden, zeichne sich auch hier ein zunehmender Einsatz ab. Die Pläne der EU, bis zum Jahr 2045 die Diesel-Ära zu beenden, seien „höchst ambitioniert“. Ein Hochlauf setze voraus, dass ein bundesweit flächendeckendes und leistungsfähiges, spezielles Ladenetz für schwere Nutzfahrzeuge aufgebaut werde. Kraft: „Dies ist eine wichtige Stellschraube für den Erfolg von lokal emissionsfreien Antrieben.“

Service mit starker Bilanz

Dynamisch gestiegen ist das „Rückgrat des Kraftfahrzeuggewerbes“, sagte Thorsten Krämer, Landesinnungsmeister und Vizepräsident des Kfz-Landesverbandes, mit dem Hinweis, betriebswirtschaftlich sei der Service eine unverzichtbare Größe für die Branche. Mit einem Umsatz von 2,4 (Vorjahr: 2,0) Milliarden Euro sei die Vorjahresmarke um 17,2 Prozent übertroffen worden. Das Wachstum resultiere vor allem aus Wartungsarbeiten, denn trotz eines erneut gestiegenen Pkw-Alters auf 10,1 Jahre im Durchschnitt habe es Verluste bei den Verschleißreparaturen gegeben. Dies könne an der kleineren Jahreskilometerleistung von 12.440 Kilometern liegen. Es gebe, sagte Krämer, mehrere Entwicklungen, die Umsatz und Preise nach oben getrieben hätten. Neben dem Fahrzeugalter sei es der Fahrzeugbestand, der in Hessen weiter angewachsen sei. Bis zum 1. Oktober 2023 auf rund 3,9 (Vorjahr: 3,8) Millionen Pkw. Rechne man Krafträder, Busse, Lkw und Zugmaschinen hinzu, seien es 4,7 Millionen Kraftfahrzeuge.

Die Quote der durchschnittlichen Werkstattauslastung habe im Jahresdurchschnitt bei 87 Prozent gelegen und damit um 2 Prozent-Punkte über dem Niveau des Vergleichsjahres 2022. Der Wert des Vorkrisenjahres 2019 sei um vier Prozent-Punkte übertroffen worden. Diese boomende Phase habe sich auch an den Vorlaufzeiten für Service-Termine ablesen lassen: rund 11 Tage, teilte Krämer mit.

Berufs-Bilanz mit neuem Rekord

Hessen habe im vergangenen Jahr die seit 30 Jahren beste Ausbildungsbilanz erreicht und die Verwerfungen der Bildungspolitik „kompensiert“. Innungen und Landesverband hätten starke und erfolgreiche Marketingaktionen gestartet. „Die handwerkliche Ausbildung hat in Hessen an Attraktivität gewonnen,“ sagte der Landesinnungsmeister mit Hinweis auf die Ergebnisse.

Die Daten im Detail: 2.433 neue Verträge insgesamt für die fünf gewerblichen und kaufmännischen Ausbildungsberufe. Das sei eine bemerkenswerte Steigerung um 19,3 Prozent. Für den Kfz-Mechatroniker seien 1.758 neue Verträge erreicht worden, eine kräftige Steigerung um 20,3 Prozent. Dies freue im Besonderen, weil damit eine kleine Minus-Phase überwunden sei. Für den Automobilkaufmann/-frau stünden ebenfalls zweistellige Pluszahlen in der Ausbildungsbilanz: 426 neue Verträge entsprächen einer Steigerung um 10,1 Prozent. Dies sei der höchste Wert seit 2017.

Positiv seien auch die Daten in den zwei anderen Ausbildungsberufen: Für den Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker/-in weise die Bilanz mit 138 neuen Ausbildungsverträgen eine Steigerung von 53,3 Prozent aus. 36 neue Ausbildungsverträge für Motorrad-Mechatroniker habe es gegeben, ein Plus von 20 Prozent. Der Fahrrad-Mechatroniker sei im Interesse der Jugendlichen leider gesunken: 75 neue Verträge seien ein Rückgang von 19,4 Prozent.

Auftragsbücher leeren sich

Nachdem im vergangenen Jahr der Auftragsüberhang abgearbeitet worden sei, hätten sich die Auftragsbücher geleert. 18 Prozent minus im Auftragseingang im Jahr 2023 sei eine Herausforderung für das neue Autojahr, das trotzdem mit überraschend starken Zahlen gestartet sei: 43,8 Prozent plus für neue Pkw im Januar. Dabei hätten aber erneut Sonder- und Statistik-Effekte im Vergleich zum sehr schwachen Vergleichsjahr 2022 eine Rolle gespielt.

Stabil sei der Gebrauchtwagenmarkt mit einer Zunahme um 4,6 Prozent gestartet, ebenso der Service. Kraft verwies auf eine Umfrage des Zentralverbandes, nach der die Erwartungen der Unternehmen für das aktuelle Autojahr „begrenzt zuversichtlich“ seien. Während für Benzin- und Dieselfahrzeuge Wachstum prognostiziert werde, erwarteten die befragten Betriebe eher verhaltene Nachfrage für die Elektromobilität. In diesen Kontext passe die Ankündigung von Vermietern und großen Fuhrparks, sich mit weniger E-Fahrzeugen auszustatten.

Den Neufahrzeughandel bewegt bei vielen Fabrikaten eine grundsätzliche Änderung in den Vertriebsmodellen. Damit werde die Beziehung und das Rechtsverhältnis zwischen Handel und Herstellern anders gestaltet. Ein Beispiel sei die Einführung von Agentursystemen bei verschiedenen Fabrikaten, sagte Kraft. Nicht minder aufmerksam beobachte das Gewerbe die Einführung von elektronischen Vertriebsplattformen, die zu einer geänderten Rolle des Verkaufspersonales führen.

Für das Autojahr 2024 zeigte sich Kraft zuversichtlicher als einige Prognosen. Leicht steigende Pkw-Neuzulassungen, ein ordentliches Nutzfahrzeuggeschäft, ein lebhafter Gebrauchtwagenmarkt und ein weiterhin dynamischer Service sollten 2024 im hessischen Automarkt trotz der konjunkturell nicht einfachen Rahmenbedingungen die Positionen des mittelständischen Kraftfahrzeuggewerbes festigen. Die qualifizierte Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle, das Besetzen von Nischen und der Ausbau von Mobilitätsdienstleistungen seien Konzepte für die Zukunft, die verstärkt genutzt werden.

Hessisches Kfz-Gewerbe gegen Rassismus und Extremismus

Nach der Vorstellung der Jahresbilanz nahm Michael Kraft Stellung zu einem gesamtgesellschaftlichen Thema: Das hessische Kfz-Gewerbe positioniere sich gegen politischen Extremismus, Rassismus und jede Art von Diskriminierung. Die Kfz-Betriebe seien ein Spiegel der Gesellschaft: So wie nach dem zweiten Weltkrieg Heimatvertriebene und Flüchtlinge hier Lohn und Brot fanden und danach, ab den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts, viele Zuwanderer ihre berufliche Heimat fanden, werde die Automobilwirtschaft auch in der Zukunft ohne Fachkräfte und Mitarbeiter aus dem Ausland nicht auskommen.